Thomas Metzingers Selbstmodelltheorie der Subjektivität

Autor: Jean Moritz Müller

Ausarbeitung des Referates vom 30.01.2004 im Rahmen der Veranstaltung "Was hält Leib und Seele zusammen?" (Dozent: Dr. Alexander Piecha)



 

Abstract

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Thomas Metzingers Versuch den subjektiven Aspekt geistiger Zustände in Begriffen einer am Informationsverarbeitungsparadigma der modernen Kognitionswissenschaften orientierten Theorie des Geistes zu erklären und somit zu "naturalisieren" ("Subjekt und Selbstmodell" (1999), 3. Kapitel). Als wesentliches Merkmal subjektiver Geisteszustände wird hierbei von Metzinger der mit ihnen verknüpfte phänomenale Eindruck der Meinigkeit hervorgehoben. Ausgehend von der Frage, ob die Zentriertheit des phänomenalen Bewusstsein einen psychischen "Träger" der subjektiv erlebten Geisteszustände voraussetzt, soll daher zunächst ein Überblick über klassische Positionen zum Problem der phänomenalen Meinigkeit (Descartes vs. Hume / Wittgenstein) gegeben werden. Vor diesem Hintergrund wird Metzingers relationales Konzept der Subjektivität als Beziehung zwischen komplexen Datenstrukturen erläutert und der begriffliche Rahmen der Selbstmodelltheorie abgesteckt. Dem allgemeineren Begriff des "mentalen Modells" als geistigem Werkzeug, dessen kausale Rolle sich aus der Möglichkeit adaptiv erfolgreicher Interaktionen eines Biosystems mit seiner Umwelt ergibt, wird dabei das komplexe mentale "Selbstmodell" gegenübergestellt.

Als Ergebnis der repräsentationalen Selbstbezugnahme eines Biosystems wird das Selbstmodell von Metzinger zur Grundlage perspektivischer Wahrnehmung und phänomenaler Meinigkeit erklärt, da es durch Einbettung in ein umfassenderes mentales Weltmodell eine zentrierte mentale Gesamtrepräsentation erzeugt, die zielgerichtetes Verhalten in der Umwelt ermöglicht. Für das Problem der Meinigkeit spielt dabei Metzingers Darstellung der phylogenetischen Entwicklung des Selbstmodells eine zentrale Rolle, in der die phänomenale Besitzqualität mentaler Zustände auf die somatosensorischen Merkmale der einzelnen im Evolutionsprozess generierten Selbstmodellkomponenten zurückgeführt wird. Dieser Zusammenhang zwischen "Leiblichkeit" und Meinigkeit stellt einen ersten Themenschwerpunkt der vorliegenden Arbeit dar.

Da von Metzinger der Aspekt der Interaktion selbstmodellierender Biosysteme in einer sozialen Umwelt ausgeklammert wird, stellt sich die Frage nach möglichen Voraussetzungen für eine Erweiterung seiner Selbstmodelltheorie um Aspekte intersubjektiver Kognition. Zwei solcher Voraussetzungen werden hier schwerpunktmäßig diskutiert. Zum einen werden im Hinblick auf die soziale Praxis der Fremdzuschreibung mentaler Zustände Vorschläge vorgestellt, wie selbstmodellierende Biosysteme auf einer höheren kognitiven Ebene zu bewusster Einsicht in den Prozess ihrer eigenen repräsentationalen Bezugnahme auf die Welt gelangen könnten um somit von der Selbst- zur Fremdzuschreibung repräsentationaler Zustände generalisieren zu können. Zum anderen werden die in Metzingers Theorie formulierten Einschränkungen der Übersetzbarkeit interner mentaler in äußere sprachlich codierte Repräsentate problematisiert. Am Beispiel logischen Denkens soll in diesem Zusammenhang das Problem der wechselseitigen Konvertierbarkeit von internen analogen und öffentlichen digitalen Repräsentaten erörtert und einige kritische Überlegungen bezüglich der von Metzinger implizit vorgenommenen Trennung von Subjekt und Welt dargestellt werden. In einer kurzen Stellungnahme wird vor dem Hintergrund der genannten Punkte ein abschließendes Fazit im Hinblick auf den explanatorischen Beitrag der Selbstmodelltheorie zur modernen Leib-Seele-Diskussion formuliert.



   
 

Literatur:



 

Jean Moritz Müller
Pferdestraße 54
49084 Osnabrück
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Kurzvita:


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